Warum Schwingungs- und Erschütterungsprobleme bei Bauwerken?
Beitrag 1 von 3
Bauwerke wirken oft stabil und unbeweglich, doch in der Praxis treten selbst bei scheinbar starren Konstruktionen mechanische Schwingungen und Erschütterungen auf. Schwingungen sind zeitlich veränderliche, meist periodische Bewegungen um eine Ruhelage. Sobald diese Bewegungen die Nutzung beeinträchtigen oder Bauteile gefährden, spricht man von Schwingungs- und Erschütterungsproblemen.
Mögliche Ursachen
Personeninduzierte Schwingungen und Erschütterungen
Jeder Schritt eines Fussgängers übt eine kurzzeitige Kraft auf die Decke oder Brücke aus, die in leichten Tragwerken (etwa Holz-, Holz-Beton- oder Stahl-Beton-Verbunddecken) als Erschütterungen spürbar werden können. Bewegen sich Personen im Takt, etwa zu Musik hüpfend oder regelmässig gehend, können Resonanzschwingungen entstehen, wenn die Anregungsfrequenz nahe an einer Eigenfrequenz des Bauwerks liegt – das führt zu erhöhten Kräften und somit höheren Schwingungen.
Verkehrsinduzierte Erschütterungen
- Eisenbahnverkehr: Vorbeifahrende Züge leiten Schwingungsenergie in den Untergrund, die sich bis in nahegelegene (bis etwa 30–50 m Abstand) Gebäude ausbreitet und dort als Erschütterung und/oder Körperschall im Raum wahrnehmbar werden können.
- Strassenverkehr: Schwere Fahrzeuge, die über unebene Stellen wie Schachtdeckel oder Schlaglöcher fahren, erzeugen potentiell störende impulsartige Erschütterungen.
Erschütterungen durch Baumaschinen
Bautätigkeiten wie das Rammen von Spundwandbohlen, die Verdichtung mit Rüttelwalzen oder Rüttelstopfverdichtern sowie Abbruch- und Sprengarbeiten erzeugen starke Erschütterungen. Diese können Nachbargebäude schädigen und in Wohnräumen als erhebliche Belästigung empfunden werden.
Maschineninduzierte Schwingungen
In Gebäuden eingesetzte Maschinen mit rotierenden oder oszillierenden Teilen (etwa Turbinen, Generatoren oder Werkzeugmaschinen) haben stets minimale Unwuchten, die zu Schwingungen führen. Diese breiten sich in der Gebäudestruktur und im Untergrund aus und können in benachbarten Räumen als Schwingungen und/oder als sekundär abgestrahlter Körperschall störend wahrgenommen werden.
Wind- und wasserinduzierte Schwingungen
- Wind: Bei hohen oder schlanken Bauwerken können Strömungsabrisse (Wirbelablösung) periodische Kräfte auf das Bauwerk ausüben. Liegt die Wirbelfrequenz nahe der Eigenfrequenz, entstehen störende Resonanzschwingungen.
- Wasser: Turbulente Strömungen an Wasserbauten senden Erschütterungen in den Boden, die sich bis zu angrenzenden Gebäuden fortpflanzen und dort als Körperschall hörbar sein können. Auch Windkraftanlagen erzeugen tieffrequente Vibrationen, die in der Umgebung belästigen können.
Besonders betroffene Bauwerke
Obwohl grundsätzlich jedes Gebäude Schwingungen und Erschütterungen ausgesetzt ist, sind folgende Konstruktionen besonders anfällig:
- Leichtbau-Decken (z. B. Holz- oder Hybriddecken)
- Fussgänger- und Seilbrücken, die weitgespannt und flexibel sind
- Hallen, Turn- und Konzertsäle, in denen viele Personen synchron aktiv sind
- Schlanke Hochhäuser oder schmale Turm- und Mastsysteme
- Laborbauten mit hohen Anforderungen an die Schwingungsarmut
Erforderliche Schwingungsarmut
Labore, Reinräume, Spitäler und Fertigungsbereiche mit höchsten Präzisionsanforderungen erfordern eine besonders geringe Schwingungsbelastung. In Bereichen, in denen feinste Messungen oder konzentrierte Arbeit stattfinden, müssen sowohl externe Erschütterungsquellen (verkehrsnahe Lage, benachbarte Prozesse) als auch interne Einflüsse (Aufzüge, Haustechnik, Personen- und Warentransport) durch geeignete Massnahmen gedämpft oder abgeschirmt werden.
Schwingungs- und Erschütterungsprobleme können in einer frühen Planungsphase oft konzeptionell vermieden oder mit überschaubarem Aufwand kontrolliert werden. Werden die Probleme erst im erstellten Bauwerk erkannt, sind sie meist nur noch mit unverhältnismässig grossem Aufwand oder gar nicht mehr zu lösen.
Beitrag basierend auf dem Faltblatt „Schwingungs- und Erschütterungsprobleme bei Bauwerken“ von der Stiftung für Baudynamik und Erdbebeningenieurwesen: https://www.baudyn.ch/ und dem Bundesamt für Umwelt: https://bafu.admin.ch/
Bilder:
Dr. Martin Deuring (1), Winterthur
Marc Weiler, Rapperswil (2, 3)